Heute sind starke Leute gefragt. Gerade in einer Krise scheint es nötig, dass Menschen vorangehen und mutige Entscheidungen treffen, die sich kaum jemand zutraut, weil man sich durch sie unbeliebt machen könnte. Wir wünschen uns Ratgeber, die Bescheid wissen. Wenn sie uns einen Ausweg präsentieren, wie wir der Not rasch und unbeschadet entkommen können, schenken wir ihnen gerne unser Vertrauen. Die Erwartungen an Fachleute wird auch in die Kirche hineingetragen. Vom Pfarrer erwartet man genauso, dass er Bescheid weiss und in jede Situation ein Wort hat, das zum Glauben ermutigt. Seine Predigten sollen gewinnend sein, dass man gerne an seinem Gottvertrauen teilhat und Antworten auf die aktuellen Fragen bieten. Die gemeinsamen Gottesdienste, die wir jetzt so vermissen, sollen keine trockene Veranstaltung sein, sondern Hoffnung schenken, begeistern und möglichst überraschen, statt ständig das Gleiche auf gewohnte Weise durchzukauen. Der Apostel Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth, die durch seinen Dienst gegründet worden ist. Inzwischen war er weitergezogen. Die Verantwortung für die Gemeinschaft hat er den Geschwistern in Korinth übergeben. Es sind einige Unstimmigkeiten aufgekommen. Die Vorsteher der Gemeinde hatten keine Lösung parat. Sie wünschten sich ein Machtwort; ein Wort ihres Gründers oder eines anderen vollmächtigen Evangelisten. Auf diese Erwartung hin erinnert der Apostel an den Anfang seines Dienstes, der sich bis zu dem Tag, wo er diesen Brief diktiert, nicht verändert hat. Und so berichtet er in diesem Abschnitt vom Inhalt und von der Kraft des Evangeliums. Der Inhalt des Evangeliums Der Inhalt des Evangeliums ist die Botschaft von Jesus Christus. Paulus präzisiert diese Formulierung: Er schreibt von Jesus Christus, dem Gekreuzigten. Weshalb spricht der Apostel ausgerechnet vom Kreuz? Er hätte doch stattdessen vom Auferstandenen reden können, oder daran erinnern, dass Jesus in den Himmel gefahren ist und über die ganze Erde herrscht. Warum müssen die Gläubigen ständig das Elend und das Leid ihres Herrn vor Augen haben? Ein Gekreuzigter ist nicht sonderlich beeindruckend. Ein zu Tode gequälter Mensch, der öffentlich aufgehängt wird, war noch nie Werbung, sondern vielmehr ein Mittel der Abschreckung. An den Kreuzen hingen Leute, die den Tod verdient haben. In den eroberten Gebieten richteten die Römer auf diese Weise vor allem Aufständische hin, um ihre Herrschaft zu sichern. Der ganzen Bevölkerung wurde gezeigt, dass die Besatzungsmacht die Oberhand hat und Ungerechtigkeit nicht toleriert. Aus jüdischer Perspektive kommt eine weitere Bedeutung hinzu. Gott sagte durch Mose, dass ein Mensch, der wegen einer Sünde getötet und öffentlich aufgehängt wird, als Verfluchter gilt. Das ist nicht bloss ein Wort, sondern meint, dass ein Aufgehängter zu jenen gezählt wird, die für immer von Gottes Gegenwart verstossen sind, seinen Segen verloren haben. Genauso verurteilten die Juden Jesus. Sie hielten ihn für einen Gotteslästerer. Aus Treue zu ihrem Gott sahen sie sich verpflichtet, ein solches Vergehen mit dem Tod zu bestrafen. Das Verständnis des Gekreuzigten ist nicht losgelöst von den Vorstellungen der Menschen. Vielmehr nimmt Paulus in seiner Verkündigung die Ansichten auf und zeigt, dass sie auf Jesus zutreffen. Wie verdiente Christus die Todesstrafe? Was war sein Verbrechen? Um das zu beantworten, muss man verstehen, dass Jesus ein Stellvertreter ist. Er selbst hat tatsächlich keine Ungerechtigkeit begangen. Wie sollte Gottes Sohn, der Mensch geworden ist, Gott lästern? Ihn für ein solches Verbrechen zurecht zu verurteilen, ist unmöglich. Bemerkenswert ist, dass Jesus selbst zu allen Vorwürfen geschwiegen hat. Es ging bei dieser Verhandlung nicht um seine eigene Schuld, sondern um jene der Menschen, für die er eintrat. Sie haben den Tod verdient, weil sie sich gegen Gott aufgelehnt haben. Jesus nahm die Strafe eines Aufständischen auf sich, eines Sünders. Inwiefern wird an Christus deutlich, dass die Gerechtigkeit durchgesetzt wurde? Auch diese Frage ist mit der Stellvertretung zu beantworten. Gott sieht nicht einfach über die Schuld hinweg. Stattdessen schafft er sie aus der Welt, indem er die Strafe durch seinen Sohn begleicht. Wenn du an Jesus den Gekreuzigten glaubst, wirst du vom Urteil befreit, von deinem Schöpfer verstossen zu werden, weil er deine Strafe bezahlt hat. Weshalb wird Jesus als Verfluchter betrachtet? Paulus schreibt im zweiten Brief an die Korinther, dass der Vater den Sohn zum Fluch machte, um die Strafe auf ihn zu legen, die alle Sünder verdient haben. Er trat an ihre Stelle. Dass er den Fluch tatsächlich trug, wird in seinen Worten deutlich, die er am Kreuz sprach: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» Auch in diesem Wort wird klar, dass Gottes Sohn die Strafe für die Rebellion der Sünde tatsächlich auf sich genommen hat. Dank ihm können Sünder mit dem heiligen Gott versöhnt werden. Diesen Christus, auf den alles zutrifft, was Menschen unter dem Kreuz verstehen, verkündigt Paulus. Er sagt sogar, dass er unter der Gemeinde in Korinth nichts anders kennen möchte, als allein diesen Jesus. Der Gekreuzigte ist der wahre Inhalt des Evangeliums, der guten Botschaft von der Vergebung der Sünden. Von ihm soll die Rede sein. Auf den Gekreuzigten sollen Gottes Kinder unter allen Umständen hoffen. Die Gläubigen sollen sich an das Elend und das Leiden ihres Herrn erinnern, um ihr Heil zu erkennen. Mit diesem Gedanken kommen wir zum zweiten Teil des Textes. Die Kraft des Evangeliums Der Apostel Paulus trug das Evangelium von Jesus Christus in die ganze Welt. Wenn ich über seinen Dienst nachdenken, kommt es vor, dass ich ihn mir als eine Art Superhelden vorstelle. Der mutige Missionar, der sich vor keiner Schwierigkeit fürchtete, gefährliche Wege auf sich nahm und selbst vor Königen nicht zurückschreckte, ist wirklich beeindruckend. Genau solche Prediger imponieren uns. Wenn jemand mit voller Überzeugung, mutig die biblische Wahrheit verkündigt, meinen wir, die Hörer werden bestimmt für den Glauben gewonnen. Selbst Spötter und Uninteressierte können einer begeisternden Predigt nicht widerstehen. Sie müssen erkennen, dass das Evangelium die Antwort für alle Fragen bietet, die uns unser Dasein stellt. Und manchmal beklagen wir, dass es heutzutage so wenige Verkündiger gibt, wie es einst der Apostel war. Erstaunlich, dass Paulus sich überhaupt nicht als Held sieht. Ganz im Gegenteil schrieb er, dass er oft schwach war. Unterschiedliche Krankheiten haben den Missionar geplagt. Mit grossem Bangen und schlotternden Knien trat er vor die Menschen. So viel es ihn betrifft, hätte es keinen Grund gegeben, seiner Botschaft zu glauben. In seiner Schwäche wurde eine andere Kraft mächtig, die alle menschliche Stärke übertrifft. Es war die Kraft des Heiligen Geistes. Nicht der Apostel, sondern Gottes Geist hat die Hörer vom Evangelium von Jesus Christus dem Gekreuzigten überzeugt. Was dem Geschwächten und Furchtsamen nicht möglich war, erreichte Gott, der dem Apostel voraussagte, dass er ein grosses Volk in der Stadt habe. Weshalb ist es so wichtig, dass die Gemeinde in Korinth sich daran erinnerte, dass sie nicht von Paulus überzeugt wurden? Sie suchten in ihren Schwierigkeiten nach einer Autoritätsperson. Einige hielten zu Paulus, andere meinten, dass Apollos mehr für sie tun könne. In diese Situation sandte der Apostel seinen Brief. Er rief den Lesern seine Schwäche in Erinnerung, um ihnen zu zeigen, dass sie eine falsche Lösung suchten. Ihr Glaube kommt nicht von den Verkündigern, sondern von Gott. Das Gottvertrauen kann nicht von Menschen gestärkt und erhalten werden. Es ist Gottes Gnade, die den Gläubigen die Sicherheit gibt, dass sie sich auch in den Unsicherheiten auf Christus verlassen können. Warum ist es für uns heute wichtig, diese Gedanken zu bewegen? Noch immer sind wir geneigt, auf menschliche Hilfe zu hoffen. Es ist wichtig, dass wir uns nicht täuschen. Kein Mensch kann mit seinen Ein- und Ansichten dich der Ewigkeit auch nur ein Stück näherbringen. Wenn du glaubst, dass Gottes Fluch, den die Sünde über dich brachte, von dir genommen ist, weil Christus die Strafe für deine Sünde bezahlt hat, dann gehörst du zu ihm. Er bleibt bei dir und bittet für dich, wie er es verheissen hat. Weil er es tut, können Verkündiger schwach sein. Sie bezeugen den Herrn, der Sünde, Tod und Teufel überwunden hat. Wenn dein Heiland stark ist, brauchst du dich in der Schwäche nicht zu fürchten. Nichts kann dich von dem trennen, der deine Strafe auf sich nahm. Schluss Die Botschaft vom Kreuz ist heilsam für uns Menschen, die wir in Schwierigkeiten nach Superhelden Ausschau halten und Schwäche verachten. Die Erwartungen, die wir an Verkündiger und Gottesdienste stellen, lenken uns von dem ab, was wirklich hilft. Wenn wir die Worte eines Schwachen verwerfen, wird deutlich, wie sehr die Sünde unser Herz entstellt. Der Mann am Kreuz sagte: «Es ist vollbracht.» Weil er die Strafe für deine Sünde bezahlte und Gottes legitimen Zorn auf sich nahm, kannst du vom Fluch befreit werden, von deinem Schöpfer verstossen zu werden. Lass dich an diesem Karfreitag von einem schwachen Pfarrer erinnern, der ebenfalls mit vielem zu kämpfen hat, dass der Mann am Kreuz der starke Heiland ist. Er behütet alle, die in den Unsicherheiten der Welt auf ihn vertrauen. Jesus möge auch dich diesen Trost und diese Hoffnung erfahren lassen. Amen.
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